Mareike Ziegler
MiniWell im Interview mit Daniela Aumüller von Entspanntes Familienleben
Aktualisiert: 12. Aug. 2022
Daniela hat als Eltern-Kind-Kursleiterin ihre Teilnehmer*innen gefragt:
"Welche Fragen habt ihr rund um die Beikost?"

Mit Freude haben wir eure Fragen beantwortet. Hier könnt ihr das komplette Interview nachlesen. (26. Juli 2022)
Daniela: Mit welchem Brei fange ich an? Und warum?
Lena: Ihr solltet mit einem Gemüse starten. Wählt hier eine leicht verdauliche Gemüsesorte, wie z.B.
Möhren, Pastinaken, Kürbis, Süßkartoffel, Fenchel oder gestampfte Kartoffeln. Je mehr
verschiedene Geschmäcker ihr eurem Baby bietet, desto interessanter ist die neue Erfahrung - Auch
wir mögen keinen Einheitsbrei und wollen Abwechslung.
Für den Alltag ist es praktisch, wenn man einfach ein Lebensmittel von dem abnimmt, was man selbst
auch isst und für sich gekocht hat. Dies berücksichtigen wir auch in unseren Rezeptplanungen. So
muss nicht extra für das Kind gekocht werden und der Aufwand wird gering gehalten.
Daniela: Wie lange sollte man bei einem Gemüse bleiben? Meine Hebamme meinte, so lange
wie möglich?
Lena: Wenn das Baby von einem Lebensmittel knappe 2-3 Löffel gegessen hat, merkt ihr nach 2-3 Tagen bereits, ob dieses gut vertragen wird. Dann kann das Nächste eingeführt werden. So wird nach und nach die Verträglichkeit getestet - und auch Allergien können hier bereits erkannt werden. Der Darm und die Bakterienvielfalt im Darm sind noch nicht richtig entwickelt und müssen sich zunächst an die neue Nahrung gewöhnen. Allergiezeichen können auch erst bis zu 2 Tage später auftreten. Daher ist es so wichtig, diese Zeit abzuwarten, bevor das nächste Lebensmittel eingeführt wird. Wenn in der direkten Familie (also bei der Mutter oder dem Vater) z.B. Neurodermitis und/oder Allergien vorliegen, hat das Kind auch eine höhere Wahrscheinlichkeit, dass dies bei ihm auftritt.
[Anmerkung von Daniela: Doch oft bleibt zu Beginn nicht viel vom Essen im Kind. So kann es sich
schon über mehrere Tage hinziehen, bis vielleicht mal ein Löffel gegessen wird.]
Daniela: Was ist BLW?
Lena: BLW steht für Baby-led Weaning - wörtlich übersetzt also: vom Baby geführtes Abstillen bzw.
Entwöhnen
Dieser Ansatz ist in den USA sehr beliebt und dieser Trend ist jetzt auch bei uns deutlich spürbar.
Dabei ist es ein sehr ursprünglicher und natürlicher Ansatz, da Säuglingen auch früher schon andere
Nahrung zur Muttermilch angeboten wurde. Gründe waren hier z.B. Nahrungsmittelknappheit oder
mehrere Kinder in kürzeren Zeitabständen, die es galt satt zu bekommen.
Es wird hier nicht mit Brei, sondern mit durchgegarten, ungewürzten Gemüse- und Obstsorten in
mundgerechten Stücken begonnen. Später werden dann weitere Lebensmittel eingeführt.
Brokkoli oder Pilze sind hierfür bspw. sinnvoll, da hier von Natur aus ein Stiel dran ist, der gut
gehalten werden kann. Alle Lebensmittel sollten dem Baby in einer Form gereicht werden, die es mit
seinen Fäusten gut halten kann [Anm. Mareike: eine Pommesform eignet sich hierfür gut].
Mareike: Ein guter Test ist, z.B. die Möhre mit einem Holzlöffel an der Topfwand zu zerdrücken. Wenn dies klappt, hat auch dein Baby keine Probleme.
Lena: Bei BLW geht es primär darum, dass das Kind gleichzeitig zum Essen lernen, auch lernt, wie Lebensmittel aussehen und das diese unterschiedliche Konsistenzen haben können. Dies ist auch Teil der frühkindlichen Ernährungsbildung.
Mareike: Man könnte also auch sagen, nicht nur vom Baby geführtes Abstillen, sondern auch vom
Baby geführtes Essen, denn dieses entscheidet selbst, was und wie viel es sich davon in den Mund
steckt.
Daniela: Was sind die Vorteile von BLW?
Lena: Es wird die Selbstwirksamkeit gefördert. Eltern können ggf. besser ablesen, was mag mein
Kind besonders gern. Das Kind gehört dazu und ist ein gleichwertiger Part, da es mit allen anderen
gemeinsam am Familientisch sitzt - dies stärkt gleichzeitig auch das Selbstbewusstsein - ich kann
selbst entscheiden und auch NEIN sagen und die Kaumuskulatur wird gestärkt.
Mareike: Auch beim Essengehen ist es super praktisch Ich brauche keinen Brei extra mitnehmen,
sondern gebe einfach etwas Adäquates vom eigenen Teller ab. Dies sorgt gleichzeitig dafür, dass ich mich selbst häufiger für ein gesundes Gericht entscheide. Und auch die Auge-Hand Koordination wird durch das selbstständige Essen mit den Händen gefördert.
Daniela: Vor ein paar hundert Jahren hatten wir ja auch noch kein Besteck. Womit wir beim Thema “artgerecht” wären.
Mareike: Was wir auch nicht vergessen dürfen, auch andere Kulturen essen mit den Händen.
Daniela: Ist eine Kombination aus Brei und BLW sinnvoll? Wenn ja, welche?
Lena: Man sollte sich hier bewusst machen, dass beides einen teils unterschiedlichen Ansatz verfolgt.
Beim BLW geht es anfangs nicht um das Satt werden, [Anm.: Ihr solltet euch bewusst machen, dass
ihr i.d.R. dadurch etwas länger stillt] es geht mehr um das Kennenlernen der Lebensmittel und den
Spaß am Essen.
Man soll es also nicht unterbinden, wenn das Kind mit dem Essen spielt, im Gegenteil, es ist sogar
gewollt. Wir wollen keine schlechte Stimmung am Esstisch, denn das konnotiert Essen beim Kind als negativ. Dies wiederum fördert sowohl Über- als auch Untergewicht.
Daniela: Aber es spricht ja nichts dagegen, das man mittags den Brei gibt und am Abend isst das Kind vom Teller der Eltern mit, oder?
Lena: Genau, die strikte Trennung beider Wege finde ich nicht bedarfsgerecht. Ich habe ja auch Lust
auf verschiedene Konsistenzen. Man sollte sich freier fühlen, als uns diese ganzen Breifahrpläne
suggerieren. Warum sollte es eine Begrenzung in den Konsistenzen geben? So wird direkt
aufgezeigt, dass es auch unterschiedliche Zubereitungsformen gibt. Kartoffelbrei, Erbsenbrei oder
Smoothies nehmen wir ja auch in pürierter Form zu uns.
Daniela: Wie funktioniert das mit dem Abstillen oder Entwöhnen?
Lena: Hier sind die Still- und Laktationsberater*innen, Hebammen oder Doulas die Expert*innen.
Daniela: Was kannst du von deiner aus Seite sagen?
Lena: Es ist sehr individuell. Jedes Kind und jede Mama hat hier andere Ansprüche. Die Empfehlung
der WHO lautet mind. 6 Monate voll zu stillen bzw. Pre-Nahrung anzubieten. Erst dann sollte mit der
Beikost begonnen werden. Es gibt keine Nachteile für Kind und Mutter, wenn man länger stillt. Die
WHO empfiehlt auch, bis zum 2. Lebensjahr weiter zu stillen. Früher war es auch hier normal, dass
länger gestillt wurde. Durch den Wandel der Gesellschaft, dass Mütter bspw. schneller in den Job
zurück müssen, hat sich das bei uns gewandelt. Andere Gründe können auch sein, dass die Frau
ihren Körper wieder für sich zurück haben möchte. Wichtig ist jedoch, dass das Kind auch andere
Nahrung annimmt.
Mareike: Die Stillbeziehung ist zwischen Mutter und Kind und die Frau selbst sollte sich sicher sein, dass sie abstillen möchte und nicht durch äußere Einflüsse, wie Partner oder Gesellschaft dazu gedrängt werden. Denn wenn hier Unsicherheiten sind, spürt es auch das Baby und dann wird es schwierig.
Daniela: Braucht das Baby nach dem Abstillen eine Folgemilch?
Lena: Wenn man abstillt, aber das Kind isst noch keine ausreichend vollen Mahlzeiten, sollte noch
eine Folgemilch gegeben werden. Es ist sehr individuell. Vielleicht sorgt es auch für Verwirrung von
Brust zu Nahrung, dann kommt eine Flasche dazu und plötzlich nimmt man die Flasche dann wieder
weg. Aber auch dies ist eher eine Frage für eine Hebamme etc.
Daniela: Kann man das Baby überfüttern oder muss ich Angst haben, dass das Baby nicht satt
wird?
Lena: Theoretisch kann das Baby nicht überfüttert werden. Babys haben die Fähigkeit, selbst gut zu
spüren, wenn sie satt sind. Es wichtig, auf die Zeichen deines Baby zu achten - und diese
anzunehmen. Vom Stillen sind sie es ja auch gewohnt, von selbst aufzuhören, wenn sie satt sind.
Nach jeder Beikostmahlzeit sollte ruhig nochmal eine Still- bzw. Flaschenmahlzeit angeboten werden
(solange nur wenige Löffel gegessen werden) - so muss man auch keine Angst haben, dass es nicht
satt wird.
Daniela: Wie lange dauert die Zeit der „Beikost“?
Lena: Es beginnt mit den ersten Versuchen, die Beikost an den Mund zu führen, das Baby erkundet,
schaut dir aufmerksam beim Essen zu, erforscht das Besteck. Es wird immer mehr am Essen geleckt,
bis es losgeht mit der ersten Mahlzeit.
Daniela: Was heißt erste “Mahlzeit”?
Lena: Das ist sehr individuell. Von einem Löffel bis zu einer Schale kann alles dabei sein.
Daniela: Heißt es also Beikost, solange man noch stillt?
Lena: Ja, würde ich so sagen. Bestimmte Lebensmittel sind unter einem Jahr noch nicht für das Baby
geeignet. Familienkost ist es ab ca. dem ersten Lebensjahr. Generell sollte davor auf Salz (kann die
Nieren schädigen), Honig und Scharfes verzichtet werden und Zucker und generell schwer
Verdaubares nur sehr sparsam gereicht werden. Dies sind z.B. Hülsenfrüchte, Kohlgemüse, Bohnen
und Erbsen oder Vollkornprodukte wie ein Vollkornbrot. Es ist immer eine Sache des jeweiligen
Produktes und seiner Darreichungsform. Brei ist einfacher verdaulich für den Magen. Es kommt auch
darauf an, wie viele Ballaststoffe ist das Kind schon gewöhnt. Es sollte jeweils langsam herangeführt
werden. Das heißt aber nicht, dass das Baby nicht auch mal ein Stückchen vom Vollkornbrot der
Eltern essen darf.
Daniela: Was sind die (Beikost-)Reifezeichen?
Lena: Das wichtigste ist:
- Das Baby kann selbst seinen Kopf halten und
- mit leichter Unterstützung z.B. auf dem Schoß der Eltern aufrecht sitzen (Das größte
Verschluck-Risiko ist, wenn das Baby eine leicht liegende Position hat).
- Der Zungenstoßreflex ist verschwunden, d.h. die Nahrung wird nicht wieder mit der Zunge
heraus gestoßen (merkt man ggf. auch erst, wenn man es mal ausprobiert)
Der Rest ist eher individuell.
Ggf. fängt das Baby an zu schmatzen, hat verstärkten Speichelfluss oder macht Kaubewegungen
wenn es andere beim Essen beobachtet. Das Baby fängt selbstständig an, nach der Nahrung zu
greifen und hat ein deutliches Interesse am Essen. Es beobachtet Mama und Papa beim Essen
genauer, möchte greifen, was auf dem Teller liegt. Diese Zeit beginnt frühestens mit dem 5. Monat. Die WHO empfiehlt ab dem 6. Monat mit der Beikost zu starten.
Daniela: Welche Menge füttere ich zu?
Lena: So viel wie Mini essen mag. Führe dir ggf. vor Augen, wie groß der Magen deines Babys ist. Im
ersten Lebensjahr wird es sicher nicht mehr sein, als maximal 150 g.
Daniela: Wenn sie 150 g essen, ist vermutlich auch nicht mehr die Zeit, wo man zusätzlich stillen oder die Flasche geben muss?
Lena: Ja, vermutlich. Das Ganze ist ein Prozess, der sich von einem halben Jahr bis zu einem Jahr
zieht.
Mareike: Es ist vor allem ein lebhafter Prozess, der sich immer im Wandel befindet. Den einen Tag
isst dein Baby wahnsinnig viel und am nächsten Tag kann es schon wieder ganz anders aussehen.
Daniela: Muss ich dem Baby Wasser zur Beikost anbieten?
Lena: Grundsätzlich nicht, da es über das Stillen/die Flasche mit Flüssigkeit versorgt ist. Wobei ein
Becher Wasser von Anfang an ein zusätzlich tolles Angebot sein kann, um zu schauen, wie das alle
anderen machen und anzuregen, dies nachzumachen. Gerne auch schon in einem kleinen
Schnapsglas anstelle einer Flasche. Wenn man jedoch merkt, da wird sich ständig verschluckt, dann würde ich das Wasser zunächst wieder weglassen.
Daniela: Oft wird das Wasser anfangs auch einfach nur verschüttet.
Mareike: Ich biete meinem Kind häufig zwei Becher an. So kann er das Wasser vom einen in den
anderen Becher schütten und der Tisch bleibt häufiger trocken.
Lena: Wenn man das Gefühl bekommt, dass das Wasser langweilig wird, kann es gern z.B. mit einem
Spritzer Zitrone aromatisiert oder mit einem Eiswürfel interessanter gemacht werden.
Daniela: Stille ich zusätzlich zur Beikost?
Lena: Auf jeden Fall. Mini wird am Anfang durch die Beikost noch nicht satt, da nur geringe Mengen
aufgenommen werden. Pre-Nahrung ist natürlich auch geeignet.
Daniela: Warum soll man Babys keinen Zucker im ersten Lebensjahr geben? Und wie erkläre
ich das den Großeltern?
Lena: Das Risiko des Übergewichts oder Adipositas wird
gefördert und so auch ungesunde Verhaltensweisen - “Süßes ist lecker, gibt es als Belohnung etc.”
Außerdem steigt das Aufkommen für Karies und Parodontitis im frühen Kindesalter und es verändert
sich die Wahrnehmung des Geschmacks. Die Lust auf Süßes steigt und die Toleranz wird niedriger. Man gewöhnt sich an einen höheren Konsum des Zuckers und braucht immer mehr. Das will man bei Kindern vermeiden, indem Zucker nicht zur täglichen Nahrung gehören sollte. Bei anderen Lebensmitteln ist es uns klar, wie bspw. bei Öl. Hier würden wir uns auch nicht 5 EL in den Joghurt machen. Gerade in den 50er Jahren wurde Zucker von der Industrie als etwas sehr positives propagiert, um Geld zu verdienen. Ähnlich, wie damals auch das Rauchen.
Daniela: Eigentlich hat die Industrie Zucker vermarktet. Das wäre doch eine gute Erklärung für die Großeltern.
Lena: z.B. Tütengerichte oder Puddingpulver ersparte damals viel Zeit für die Frauen und wurde dankend angenommen.
Mareike: Vielleicht ist das mit dem Rauchen auch ein guter Vergleich für die Großeltern? Früher hatte man einfach einen anderen Wissensstand.
Lena: Dieser Zeitpunkt der Beikosteinführung ist eine Chance für alle Familienmitglieder, ein
gesundes Ernährungsverhalten zu entwickeln und ein Vorbild zu sein.
Man kann nicht erwarten, dass sich das Kind gesund ernährt, wenn sich die Eltern und das Umfeld
selbst ungesund ernähren.
Bei allen Aussagen aus diesem Interview handelt es sich um persönliche Erfahrungen und
Empfehlungen und nicht um allgemeingültige Leitlinien.
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